Es ist die brennende Trockenheit, die sie nach draußen treibt.
Und sie weiß, dass sie den Durst auch heute nicht wird stillen können. Sie weiß, dass sie vom Begehren besessen bleiben wird, ganz gleichgültig, wie exzessiv auch immer sie vorgehen wird.
Zögerlich schlürft sie den porösen Schaum vom Rand ihrer Kaffeetasse und wandert mit dem Blick in dem weiten offenem Raum umher.
Sie weiß, dass ihr Tun immer vehementer, immer unerbittlicher wird. Und dass es sie trotzdem nie mehr wird befriedigen können.
Ihre Augen gleiten über die Körper der jungen Männer.
Sie mag die Schüchternen, die Zurückhaltenden, die, die sich von Anfang an ihren Anweisungen fügen würden. Sie mag das, wenn sie so zart und formbar sind.
Sie wippt ungeduldig, mit dem linken Bein, das sie über das Rechte geschlagen hat, nicht ganz ungezielt: sie will den rechten Blick darauf lenken. Und sie hat das richtige Paar Schuhe dafür an; schwarze, lederne Riemchen-Pumps, absatzlos und doch Ehrfurcht gebietend. Sie liest in ihren Mienen, erwartet ein Aufmerken, vom Richtigen, der nämlich seinen Blick in der gewünschten Höhe hält. Geduldig wartet sie, bis sie einen eingefangen haben wird.
Weil einer den Köder unweigerlich schlucken wird.
Wieder führt sie die Tasse an ihre Lippen, ohne ihre Aufmerksamkeit aus dem Geschehen im Gastraum zurückzuziehen. Sie zieht die mürbe Flüssigkeit in ihre Mundhöhle, scheinbar teilnahmslos.
Und da hat sich schon einer in ihrer kreisenden Bewegung des Fußes verfangen, gleitet unwillkürlich ihre von dunklen Strümpfen verhüllten Beine hinauf, über den straffen Rock und die gerade Bluse bis er unter ihren starren Augen kommt, die sein Interesse aufgedeckt haben und ihn nun unerbittlich festhalten.
Sie stellt sich vor, ob er eine gute Figur machen wird, wenn er erst für sie tanzen wird.
Sie gibt ihn nicht frei, verliert kein Lächeln an ihn, lässt ihn hilflos zappeln im Netz ihrer Augen!
Er muss sichtlich allen Mut zusammen nehmen, um sich wieder hinter die hohen Blätter seiner Zeitung zu flüchten, die er wie ein Schutzschild hochzuhalten versucht.
Sie nutzt diesen Moment um seine Erscheinung eingehend zu mustern, schlürft dabei ohne von ihm abzulassen weiter von der Brühe und fängt seine stümperhaft-zögerlichen Versuche, sich über den Rand der Zeitung hinweg ihrer Gegenwart zu versichern ab, lässt ihn wissen, dass er ihr nicht mehr entkommen kann.
Langsam macht sich eine kribbelige Vorfreude auf ihrer Haut breit. Sie sieht es bereits vor sich, sie sieht in bereits da wo sie ihn hinhaben will.
Aber noch nimmt sie sich zusammen, noch! Noch muss sie beherrscht bleiben!
Sie kippt den Rest des Kaffees hinunter, spürt wie die Aromen ihren Körper hinaufsteigen, erhebt sich dann ruckartig und geht auf ihn zu.
Er sieht sie kommen, klammert sich an den raschelnden Seiten der Zeitung fest, zieht sie nochmal in die Höhe, will sich verzweifelt von ihr abschirmen.
Und sie setzt sich ruhig zu ihm an den Tisch und schweigt erst für einen Moment, lässt ihre Gegenwart auf ihn wirken.
„Ist das nicht schrecklich, all die Gewalt überall, überall Tod und Sterben...“ er zuckt zusammen, reagiert vorerst nicht.
„Man sollte sich heutzutage eigentlich von so etwas nicht berühren lassen, wo das doch so alltäglich ist, wo das Unheil doch gleich um die nächste Ecke lauern kann...“
Nun lässt er das aufgespannte Papier in sich zusammenfallen, setzt sich der Festigkeit ihres Blickes aus, windet sich innerlich darin und schafft es nicht, seine Situation durch eine geschickte - oder auch nur überhaupt irgendeine – Antwort aufzulösen.
„Und es trifft immer die Schwachen und Unschuldigen..., nicht?“
„Naja...
Ob Sie das vielleicht nicht zu sehr zugespitzt sehen...?“ versucht er.
„Meinst du...?
Aber du kannst mir ruhig glauben! Nur weil du glaubst, dank der Zeitung weit weg von all den Ungeheurlichkeiten dieser Welt zu sein, bedeutet das noch lange nicht, dass du nicht doch davon betroffen sein kannst...“
„Hmm...“ macht er unzufrieden, aber mehr schafft er nicht. Denn inzwischen hat sie ihre Schuhspitze in sein Hosenbein geschoben und fährt damit langsam seinen Unterschenkel auf und ab.
„Vielleicht ist heute aber auch dein Glückstag...?“
Er starrt sie nur mehr mit großen offenen Augen an.
„Wer weiß...“ fährt sie fort, genießt das Zittern, das sie mit der Schuhspitze auf seiner Haut hervorruft.
„Wir gehen zu mir!“ Sagt sie dann bestimmt und erhebt sich ruckartig.
„Zahlen!“
Und natürlich folgt er ihr.
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